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Extremisten im Ukraine-Krieg: Welche Rolle das Asow-Regiment spielt (ntv I 19.03.2022)
Im Krieg gegen Russland kämpft auch das als ultranationalistisch bis rechtsextrem geltende Asow-Regiment an der Seite der ukrainischen Streitkräfte. Die russische Propaganda nutzt das für ihre Zwecke. Doch welchen Einfluss hat die Gruppe tatsächlich?
Am 8. März veröffentlichte das belarussische Oppositionsmedium Nexta auf Twitter zwei Bilder, welche die Ankunft einer Waffenlieferung der NATO im ukrainischen Charkiw zeigen sollen. Darauf zu sehen ist eine Gruppe bewaffneter Männer in Militärmontur, die sich um einen Raketenwerfer versammelt haben. Deutlich sichtbar prangt auf dem Oberarm eines Kämpfers die Wolfsangel-Rune, ein Emblem, das auch von Teilen der Waffen-SS genutzt wurde. Es ist auch das Erkennungssymbol des Regiments Asow. "Als Erstes wurde das Asow-Regiment mit den neuen Waffen vertraut gemacht", schreibt Nexta dazu.
Asow kämpft auf Seite der Ukraine im Krieg gegen Russland. Aktiv ist sie vor allem in der belagerten Hafenstadt Mariupol. Am Dienstag teilte der ukrainische Generalstab auf Facebook mit, Asow habe eine Einheit der russischen Truppen besiegt. In ihrem eigenen Telegram-Kanal postete Asow Fotos zerstörter russischer Militärfahrzeuge. Unabhängig überprüfen ließen sich diese Bilder nicht. Auf Twitter schrieb der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk: "Diese mutigen Kämpfer verteidigen ihre Heimat, vor allem die belagerte Stadt Mariupol."
Das Regiment gehört der ukrainischen Nationalgarde an und ist somit dem Innenministerium des Landes unterstellt. Die Kämpfer gelten als ultranationalistisch bis rechtsextrem. Russlands Kriegspropaganda, die ihren Angriff mit einer "Entnazifizierung" der Ukraine rechtfertigt, spielt das in die Karten. Nachdem die russische Armee kürzlich eine Geburtsstation in Mariupol attackiert hatte, behauptete Russland, das Gebäude sei von Asow-Kämpfern als Lager genutzt worden. Eine Aussage, der die Vereinten Nationen widersprachen.
Ursprung im Kampf gegen Separatisten
Gegründet wurde die Miliz als Bataillon Asow, benannt nach ihrer Herkunftsregion am Asowschen Meer, von nationalistischen Politikern im Jahr 2014. Sie entstand als eine von mehreren Freiwilligenmilizen, die damals an der Seite der ukrainischen Streitkräfte gegen die prorussischen Separatisten im Osten des Landes kämpften. Angesichts der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und des Konflikts im Donbass war der ukrainischen Regierung jede Unterstützung recht. Tatsächlich konnte die Miliz damals militärische Erfolge verbuchen. In Mariupol unterstützte die Miliz im Juni 2014 eine Offensive der Nationalgarde, in deren Folge Separatisten aus der Stadt vertrieben wurden und die Ukraine die Kontrolle über die Region wiedererlangte.
Im Oktober 2014 wurde die Gruppe Asow schließlich in den ukrainischen Heimatschutz eingegliedert und blieb unter dem Befehl des Innenministeriums vor allem in und um Mariupol militärisch aktiv. Laut der UN-Menschenrechtsorganisation OHCHR sollen Anhänger des Regiments auch für Kriegsverletzungen in der Region verantwortlich sein. So hätten Kämpfer im Mai 2014 eine Frau für mehrere Stunden gefoltert. Auch in den nachfolgenden Jahren taucht das Regiment Asow im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in den Berichten auf. Darüber, wie das Regiment im aktuellen Konflikt vorgeht, gibt es keine gesicherten Informationen.
Vom Bataillon zur Bewegung?
Mit den Jahren hat Asow es geschafft, das ursprüngliche Freiwilligenbataillon zu einer breiteren Bewegung auszubauen. "Es handelt sich um eine heterogene rechtsextreme Bewegung, die gerne eine Minderheit von Neonazis und Anhängern politischer Gewalt, wie groß auch immer sie ist, in ihren Reihen hat", sagt der kanadische Journalist Michael Colborne, der kürzlich ein Buch über Asow veröffentlicht hat, dem Recherchenetzwerk "Belltower News". Asow als Ganzes lehne die liberale Demokratie ausdrücklich ab. Zudem wende sich die Bewegung gegen eine Gleichberechtigung von ethnischen Minderheiten oder der LGBTQ-Community, so Colborne.
Der politische Arm von Asow, die Partei "Nationalkorps", zeichnete in den vergangenen Jahren für die Vernetzung von Rechtsextremen in ganz Europa verantwortlich - auch nach Deutschland, etwa zur Kleinpartei "Dritter Weg". In der politischen Parteilandschaft der Ukraine sei der "Nationalkorps" aber völlig unbedeutend, sagt der Extremismusforscher Alexander Ritzmann ntv.de. Er berät unter anderem das Counter Extremism Project Berlin in Strategien gegen extremistische und terroristische Akteure. Ein Zusammenschluss von mehreren Parteien der radikalen Rechten in der Ukraine scheiterte bei den Parlamentswahlen im Jahr 2019 an der Drei-Prozent-Hürde, lag also noch unter dem europäischen Durchschnitt. Für Ritzmann zeigt das: "Es ist okay für die ukrainische Bevölkerung, dass Asow gegen die russische Aggression kämpft, aber sie wollen sie nicht in der Politik."
"Alle, die kämpfen können, kämpfen"
Rund 2000 Kämpfer soll das Asow-Regiment Schätzungen zufolge stark sein, angesichts Hunderttausender Soldaten und Reservisten in der Ukraine eine geringe Zahl. Dennoch hat Asow in der Region Mariupol seit der Belagerung von 2014 einen gewissen Stellenwert, der aus ukrainischer Sicht auch ihren Einsatz legitimiert. Dazu kommt die militärische Not. "Die Ukraine ist existenziell bedroht. Deswegen lässt man alle kämpfen, die kämpfen können", erläutert Ritzmann. Der Fokus liege nicht auf der Motivation der Kämpfer, sondern auf ihren Fähigkeiten.
Zumindest nach außen tritt das Asow-Regiment seit der Eingliederung in das Innenministerium gemäßigter auf, Nazi-Insignien wie die "Schwarze Sonne" verschwanden aus der öffentlichen Darstellung. Ob es sich tatsächlich deradikalisiert hat, sei von außerhalb schwer zu betrachten, so Ritzmann. "Vielleicht gab es auch eine Anweisung von oben, wo gesagt wurde: Das ist schlecht für das Image." Natürlich seien bei Asow noch immer Neonazis und Rechtsextreme aktiv, sagt der Experte. "Das Asow-Regiment kann meinem Verständnis nach aber gar nicht mehr viel machen, ohne dass das vom Innenministerium angeordnet ist." Eben diese Eingliederung erlaube es Asow jedoch auch, als Teil der Heimatverteidigung Zivilisten auszubilden oder, wie auf den Bildern von Nexta zu sehen, Waffenlieferungen zu empfangen.
Mehr Rechtsextreme in Russland
Allein die Ergebnisse der Wahlen von 2019 zeigen aus Ritzmanns Sicht, dass der Vorwurf Präsident Putins, in der ukrainischen Regierung seien Nazis, lediglich in der Welt der russischen Propaganda funktioniert. "Putin kann nicht sagen, eine Partei, die rund zwei Prozent bekommen hat, sei eine Bedrohung und deswegen muss ich meine Armee da reinschicken", so der Experte. Im Vergleich mit der Ukraine sei die Zahl der Rechtsextremen in Russland sogar signifikant größer. "Dort gibt es etwa 150 rechtsextreme Organisationen und geschätzt 50.000 Rechtsextreme. Social-Media-Kanäle prorussischer Separatisten sind voller antisemitischer Kommentare und Memes", erklärt Ritzmann.
Tatsächlich sollen auch von russischer Seite aus Extremisten im Ukraine-Krieg mitmischen. Geheimdienstberichten aus den USA und Großbritannien zufolge soll sich die Wagner-Gruppe im Land aufhalten, mit dem Auftrag, den ukrainischen Präsidenten Selenskyj zu töten. Dmitri Utkin, der mutmaßliche Gründer der Söldner-Einheit, die für Kriegsverbrechen in Konflikten weltweit verantwortlich gemacht wird, gilt als bekennender Neonazi. Das scheint für Moskau jedoch kein Problem zu sein.
ntv I 19.03.2022
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