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HIStory: Die deutsche Rassenhygiene
Der Buchautor und Publizist Hermann Ploppa erläutert in HIStory kurz und sachlich historische Daten und Jahrestage von herausragenden geschichtlichen Ereignissen. Dabei werden in diesem Format Begebenheiten der Gegenwart, die mit einem Blick in die Vergangenheit in ihrer Bedeutung besser einzuordnen sind, künftig alle 14 Tage montags in einen geschichtlichen Kontext gebracht.
History heute: Die deutsche Rassenhygiene
Heute befassen wir uns mit der deutschen Rassenhygiene. Vermutlich werden nicht alle Zuschauer etwas mit diesem Begriff anfangen können. Es gab in den Vereinigten Staaten von Amerika schon seit Ende des Neunzehnten Jahrhunderts die Bewegung der so genannten Eugenik. Wir berichteten schon einmal darüber. Wissenschaftler, Politiker, Wirtschaftsbosse und Medienleute dachten damals, dass man alle Übel der Zeit wie Krankheit, Irrsinn, Kriminalität oder andere ungeliebte Abweichungen von der Normalität ganz einfach abschaffen konnte, indem man die biologische Beschaffenheit der Menschen verändert. Da man damals noch nicht in die Zellstruktur der Lebewesen eingreifen konnte, blieb als Steuerung nur die bereits bekannte Zuchtwahl. Was man bei Tieren bereits seit Jahrtausenden erfolgreich praktizierte, musste doch auch bei Menschen möglich sein?
Nun, eine mit der Eugenik verwandte Variante gab es auch in den deutschsprachigen Ländern. Man nannte diese Variante: Rassenhygiene. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde behauptet, die Rassenhygiene sei der perfide Stichwortgeber der Nazipolitik gewesen. Letztendlich seien Verbrechen gegen Behinderte in Deutschland und der Holocaust im besetzten Polen auf die deutsche Rassenhygiene zurückzuführen.
Stimmt das? Dieser Frage wollen wir heute nachgehen. Fangen wir mit dem Begriff „Rassenhygiene“ an. In diesem Kompositum stecken ja die Begriffe „Rasse“ und „Hygiene“. Was hat es damit auf sich?
Der Begriff „Hygiene“ hat sich im Volksgebrauch auf die Bereiche Sauberkeit und Körperpflege verengt. Das ist aber nur ein Aufgabenfeld der Hygiene. Hygeia war bei den antiken Griechen die Göttin der Gesundheit. Hygiene bedeutet in diesem Sinne die Erhaltung und Herstellung von gesundheitsfördernden Bedingungen. Das umfasst die Gesunderhaltung des Einzelnen genauso wie die Gesunderhaltung der Gruppe, in der ein Einzelwesen lebt.
Die Hygiene wurde im 19. Jahrhundert als eigenständige wissenschaftliche Disziplin etabliert, und Max von Pettenkofer besetzte Mitte des Jahrhunderts den ersten universitären Lehrstuhl für Hygiene. In den Krankenhäusern begann man, medizinisches Besteck und die Berufsbekleidung gründlich zu sterilisieren, was bis dato nicht üblich war. Die Menschen wurden dazu angehalten, sich mit Seife zu waschen, was auch noch nicht allgemein üblich war. Die Adligen hatten zuvor ihren Körper durch Puder olfaktorisch veredelt. Anstatt dass die Stadtbewohner ihre Hinterlassenschaften auf die Straße kippten, wurden diese nun durch geschlossene Rohre zur Stadt hinausgeleitet, um sich im Fluss bis zur Unkenntlichkeit aufzulösen. Die Folgen der neuen Reinlichkeit machten sich rasch angenehm bemerkbar: die Lebenserwartung stieg an, die Menschen wurden gesünder.
Angesichts dieser beeindruckenden Erfolge kamen nun Biologen, Gesellschaftswissenschaftler und Mediziner auf die Idee, dass man auch das gesamte Volk als Körper auffassen könnte. Was spricht dagegen, auch den „Volkskörper“ zu pflegen und zu reinigen? War denn dieser Volkskörper nicht krank und musste therapiert werden? Durch das gedrängte Leben der Menschenmassen in der Stadt waren viele unerfreuliche Dinge augenfällig geworden, die in der Weite des Landlebens eher übersehen wurden. Kranke, Missgestaltete, Kriminelle, Asoziale, Alkoholiker, Prostituierte oder obdachlose Kinder. Und die Stadt mit ihrem unpersönlichen Zusammenleben machte gewiss auch vieles möglich, was im engen Verband des Dorfes geächtet worden wäre. Und das Wort „Rasse“?
Das französische Wort „race“ meint ursprünglich nur: Gattung, Geschlecht, Stamm oder Sippschaft. In diesem Sinne findet man in vielen älteren deutschen Schriften das Wort Rasse als „Race“ geschrieben. Im 19. Jahrhundert bürgert sich das heutige Verständnis des Wortes „Rasse“ ein. Wobei, das kann man gleich vorausschicken, unter den Rassetheoretikern ein heilloses Durcheinander entsteht, welche Rassen es gibt, und wer zu welcher Rasse zu zählen ist. Entscheidend für unseren Zusammenhang ist nun, dass die neuen Theoretiker des 19. Jahrhunderts diesen Rassen biologisch festgelegte Eigenschaften zusch...
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