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HIStory: Reichstagsbrand 1933
Der Buchautor und Publizist Hermann Ploppa erläutert in HIStory kurz und sachlich historische Daten und Jahrestage von herausragenden geschichtlichen Ereignissen. Dabei werden in diesem Format Begebenheiten der Gegenwart, die mit einem Blick in die Vergangenheit in ihrer Bedeutung besser einzuordnen sind, künftig alle 14 Tage montags in einen geschichtlichen Kontext gebracht.
Das Thema heute: Reichstagsbrand 1933: Der entscheidende Schockstoß für die Nazis
In der heutigen Folge von History geht es um den Reichstagsbrand von 1933.
Lügen haben manchmal ziemlich lange Beine. Seit sechzig Jahren wird nun an Schulen und Universitäten oder in den Medien unablässig gepredigt (1), das ehrwürdige Reichstagsgebäude in Berlin sei im Schicksalsjahr 1933 von dem Anarchisten Marinus van der Lubbe im Alleingang angezündet worden. Die Nazis waren somit von allem Verdacht reingewaschen, den Reichstag in Schutt und Asche gelegt zu haben.
Gegen diese Erzählung spricht allerdings die kürzlich wieder aufgefundene eidesstattliche Aussage des SA-Mannes Hans-Martin Lennings. Lennings sagte am 8. November 1955 bei einem Notar unter Eid aus, dass er am Abend des 27. Februar 1933 den später zum Tode verurteilten holländischen obdachlosen Maurergehilfen Marinus van der Lubbe persönlich im Auto zum Reichstagsgebäude gefahren habe: als er zwischen 20 und 21 Uhr am Reichstag eintrifft, riecht es bereits heftig nach Feuer.
Er liefert van der Lubbe bei einer Person im Reichstagsgebäude ab, und fährt dann eilig wieder davon. Als Lennings am nächsten Tag in der Zeitung liest, dass van der Lubbe als Brandstifter angeklagt wird, beschwert er sich bei seinen SA-Vorgesetzten. Denn der Holländer saß ja zur Tatzeit in Lennings Auto. Van der Lubbe konnte unmöglich der Brandstifter sein (2). Da Lennings nicht lockerlässt, wird er in „Schutzhaft“ genommen. Danach zieht er es vor, lieber erstmal im Ausland unterzutauchen.
Dass ein einziger Mensch einen gigantischen Gebäudekomplex wie den Reichstag in wenigen Minuten in Schutt und Asche legen kann, widerspricht allen Grundannahmen der Wissenschaft. Diesen Unsinn hatte jedoch der Verfassungsschutzbeamte Fritz Tobias 1959 bis 1960 in elf Folgen über die Leserschaft des Hamburger Nachrichtenmagazins Der Spiegel herabregnen lassen mit dem Segen des Spiegel-Herausgebers Rudolf Augstein. Der Historiker Hans Mommsen bescheinigte damals den Tobias-Eingebungen absolute Seriosität. Damit war diese Story verbindliche Lehrmeinung in der Historikerzunft. So einfach ist das. Wer es wagte, der Tobias-Story mit vernünftigen Argumenten zu begegnen, wurde von der Tobias-Clique bedroht und gemobbt.
In einer sehenswerten Fernsehdokumentation (3) aus dem Jahre 2003 sagt der Direktor der Berliner Feuerwehr, Albrecht Brömme, dass es einige Stunden braucht, bis aus einem mühsam angefachten Schwelbrand ein Großbrand erwachsen kann. Dazu bedarf es eines Brandbeschleunigers. Das kann beispielsweise Benzin sein. Und in der Tat fand man in den Brandresten Pappschilder, auf den Boden des Plenarsaals geworfen, versetzt mit Benzin.
Und der „Alleintäter“ Marinus van der Lubbe? Ein vierundzwanzigjähriger Obdachloser, der durch Europa stromerte. Schaute auch mal bei anarchistischen Splittergruppen vorbei. Wurde aber schnell wieder rausgeworfen, weil ihm Kontakte zu Polizeispitzeln nachgesagt wurden. Alles andere als ein Kommunist, wie es ja die Nazis behaupteten. Eher einsam und isoliert. Nur noch 15 Prozent Sehkraft und leicht gehbehindert. Schwer ansprechbar, beinahe autistisch. Manchmal irre Absenzen. Van der Lubbe im Leipziger Prozess im Sommer und Herbst 1933: völlig abwesend, der Kopf ungewöhnlich tief hängend. Entweder schwer krank oder unter harten Drogen oder Opfer schwerer Folter. Dieser Mann war überhaupt nicht verhandlungsfähig. Ein psychologisches Gutachten hätte zunächst einmal van der Lubbes Schuld- und Verhandlungsfähigkeit klären müssen. Stattdessen wurde van der Lubbe zum Tode verurteilt, und sein Kopf danach mit einer brandneuen Guillotine vom Rumpf getrennt.
Ebenfalls als Brandstifter angeklagt waren vier Kommunisten. Zum einen der Fraktionsvorsitzende der Kommunistischen Partei Deutschlands im Reichstag, Ernst Torgler. Dann drei Kommunisten aus Bulgarien. Der prominenteste unter ihnen: Georgi Dimitroff. Nach einem gescheiterten Revolutionsversuch in Bulgarien flieht Dimitroff zunächst nach Österreich, wo ihm die Leitung der österreichischen Kommunistischen Partei anvertraut wird. Am 9. März 1933 verhaften ihn die Nazischergen...
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