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Die dunkle Vergangenheit von Robert Koch (SRF I nano I 23.06.2020)
Nie war der Name Robert Koch so präsent wie in der Corona-Krise. Doch ist er das richtige Leitbild für eine so wichtige Einrichtung wie das Robert Koch-Institut? Der bekannte deutsche Mediziner und Nobelpreisträger fand den Erreger der Tuberkulose. Doch er leitete auch Menschenversuche in den deutschen Kolonien. Muss das RKI umbenannt werden, weil es für andere Werte steht?
Robert Kochs Verdienste sind unbestritten: Der Mediziner gilt gemeinsam mit seinem französischen Rivalen Louis Pasteur als Begründer der modernen Bakteriologie und Mikrobiologie. Koch entdeckte die Erreger des Milzbrands und der Tuberkulose, wurde 1905 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Doch schon bei der Bekämpfung der Tuberkulose zeigt sich die Ambivalenz von Kochs Leistungen: Das von ihm entwickelte Tuberkulin erwies sich als Heilmittel unbrauchbar. Schon beim Tuberkulinskandal habe Koch lange Zeit Daten zurückgehalten und ein fragwürdiges Wissenschaftsverständnis an den Tag gelegt, kritisiert Zimmerer.
In kolonialen Diensten
Die mit Abstand dunkelsten Flecken auf Kochs nicht eben sauberem Medizinerkittel sind aber seine Forschungen in Afrika. Ein Jahr nachdem er seine Tätigkeit als Gründungsdirektor des Königlich Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten aufgegeben hatte, schiffte er sich 1905 zu seiner letzten großen Forschungsreise nach Deutsch-Ostafrika ein, die nur durch die Entgegennahme des Nobelpreises kurz unterbrochen wurde.
Aus der damals größten deutschen Kolonie, die seit 1885 zu Deutschland gehörte, waren kurz zuvor alarmierende Meldungen von Ausbrüchen der gefürchteten Schlafkrankheit (Afrikanische Trypanosomiasis) gekommen. Man wusste damals zwar bereits, dass diese meist tödlich verlaufende Infektionskrankheit von sogenannten Trypanosomen verursacht und von Tsetsefliegen übertragen wird. Unklar war allerdings, ob etwa Tiere Zwischenwirte sein können.
Vor allem aber ging es darum, eine medikamentöse Therapie gegen die Infektion zu testen – um so auch die weitere Ausbeutung afrikanischer Arbeitskräfte zu gewährleisten.
Rücksichtslose Forschung
Dieses schwärzeste Kapitel in Kochs Karriere hat der deutsche Mediziner und Schriftsteller Michael Lichtwarck-Aschoff zum Herzstück seines neuen Tatsachenromans "Robert Kochs Affe" gemacht, der auch anhand von Originalzitaten Kochs beklemmende Bilder von Kochs Projekt und dessen blutigem Kontext zeichnet. Denn während der Mediziner mit aller Rücksichtslosigkeit forschte, schlugen deutsche Militärs den 1905 ausgebrochenen Maji-Maji-Aufstand gegen die Kolonialherren mit aller Brutalität nieder.
In Lichtwarck-Aschoffs literarisch raffinierter Expedition ins "Herz der Finsternis" deutscher Kolonialmedizin wird die Infektionsforschung in gewisser Weise zur Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln und Robert Koch zum Protagonisten einer entgrenzten Medizin. Hatte sich der Wissenschafter in den Jahren zuvor immer wieder darüber beklagt, dass in Deutschland Versuche an Menschen auch wegen des Tuberkulinskandals ab 1900 strikter geregelt wurden, so gab es in den Kolonien damit keine Probleme. Bereits 1903 schrieb Koch aus dem südlichen Afrika: "Hier draußen aber, da liegt das Gold der Wissenschaft noch auf der Straße."
Schwerste Nebenwirkungen
Koch wurde mit seinem Team schließlich nicht auf deutschem, sondern auf britischem Kolonialgebiet tätig: auf den Sese-Inseln im Victoriasee, wo die Schlafkrankheit besonders verheerend wütete. Die Erkrankten wurden von den Kolonialmedizinern gleich mehrfach auf brutale Weise behandelt, beginnend mit den Diagnosemethoden. Koch empfahl, die Infizierten "herauszugreifen" und in Konzentrationslagern zu versammeln.
Besonders grausam waren die "Therapien" mit dem arsenhaltigen Mittel Atoxyl, das in hoher Dosierung stark giftig war, wie man längst wusste. Und Koch steigerte die Dosis immer weiter. "Die schweren Nebenwirkungen nahm er wissentlich in Kauf", kritisiert Zimmerer: "Es kam zu zahlreichen Erblindungen und zu Todesfällen." Die Versuche, die keine Heilung brachten, sondern nur die Epidemie ein wenig eindämmten, wurden wenig später vom deutschen Reichskolonialamt untersagt.
SRF I nano I 23.06.2020
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