Militärputsche in Afrika: Skrupellose Ausbeutung im Namen der Demokratie

1 year ago
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Die Militärputsche im Niger vom 26. Juli und in Gabun am 30. August dieses Jahres sind die aktuellsten in einer Serie, die sich in den letzten Jahren durch Westafrika und die Sahelzone ziehen. Westliche Politiker und Medien verurteilten diese gewaltsamen Regierungsumstürze und fordern eine Rückkehr der verfassungsmäßig gewählten Präsidenten. Das als westlicher Verbündeter bekannte afrikanische Staatenbündnis ECOWAS schloss seine Mitgliedsländer nach deren Putschen sofort aus und drohte der neuen Regierung in Niger sogar mit Krieg. Damit entsteht der Eindruck, der gestürzte Präsident hätte sein Volk angemessen regiert und die Bevölkerung müsse vor den Putschisten gerettet werden. Diese reagierten auf die Putsche jedoch völlig anders. In Niger, Gabun und auch in Burkina Faso jubeln sie den Militärputschisten zu und feiern die Absetzung der alten Machthaber. Wie ist diese Begeisterung zu erklären?

Auffällig ist, dass die letzten sechs afrikanischen Länder, in denen der Präsident gewaltsam entfernt wurde, ehemalige französische Kolonien sind. Obwohl seit über 60 Jahren eigenstaatlich, stehen sie bis heute unter dem militärischen, finanziellen und wirtschaftlichen Diktat Frankreichs.

1. Militär:
Frankreich hat immer noch Soldaten in seinen Kolonien stationiert. Zusammen mit den USA nehmen sie über Ausbildungsprogramme für afrikanische Offiziere Einfluss auf das heimische Militär.

2. Finanzen:
Als ehemalige französische Kolonien gehören Niger und Gabun zu den 14 westafrikanischen Staaten, die von Frankreich verpflichtet wurden, 85 % ihrer Devisen- und 100 % ihrer Goldreserven abzugeben. Sie müssen bis heute als Währung den CFA-Francs [= west-afrikanischer Franc] der Kolonialzeit beibehalten. Sein Wechselkurs wird von der französischen Zentralbank zum Vorteil für Frankreich diktiert: 1994 wertete diese z.B. über Nacht den CFA-Francs ab, wodurch die Exporte der Kolonien nur noch die Hälfte wert waren und die Einfuhrpreise um 50 % stiegen. Daher verwundert es nicht, dass neun der 14 CFA-Länder trotz ihres Reichtums an Rohstoffen zu den ärmsten der Welt gehören.

3. Wirtschaft:
Die systematische wirtschaftliche Ausbeutung und ihre Folgen bringt der Europa-Abgeordnete Martin Sonneborn wie folgt zur Sprache:

„In Frankreich gibt es keine einzige aktive Goldmine. Dennoch besitzt dieser (ehemals)
verbrecherische Kolonialstaat mit 2.436 Tonnen die viertgrößten Goldreserven der Welt.
Die (ehemals) französische Kolonie Mali besitzt genau 0,0 Tonnen Gold, obwohl es mehrere Dutzend Minen (darunter 14 offizielle) im Land hat, in denen pro Jahr ganze 70 Tonnen davon abgebaut werden. Von den Einnahmen aus knapp 60 Tonnen Gold, die von (schätzungswei-se) 600.000 Kindern in der (ehemals) französischen Kolonie Burkina Faso geschürft werden, gehen nur 10 % an das Land, aber 90 % an multinationale Goldgräberkonzerne. […]
Die (ehemals) französische Kolonie Niger verfügt über die hochwertigsten Uranerze Afrikas und ist der siebtgrößte Uranproduzent der Welt, aber der Weltbank zufolge sind 81,4 % seiner Bürger noch nicht einmal ans Stromnetz angeschlossen. 40 % leben unterhalb der
Armutsgrenze, ein Drittel der Kinder ist untergewichtig, die Analphabeten-Quote liegt bei
63 %. Nur die Hälfte der Einwohner hat Zugang zu sauberem Trinkwasser, nur 16 % sind an eine angemessene Sanitärversorgung angeschlossen. […] Wie kann Afrika, das über so viel Reichtum verfügt, zum ärmsten Kontinent der Welt geworden sein?“

Eine ganz einfache Antwort auf diese Frage hat laut Sonneborn der Politikwissenschaftler Michael Parenti: „Arme Länder sind nicht ‘unterentwickelt’, sondern ‘überausgebeu-tet’.“

Unter diesem Blickwinkel erscheinen die jüngsten Putsche als ein überfälliger Versuch Afrikas, sich aus dem System der Ausbeutung und Unterdrückung zu befreien. Das neue Staatsoberhaupt von Burkina Faso, Ibrahim Traoré, bezeichnet die acht Jahre vor dem Putsch 2022 als die barbarischste, gewalttätigste Form von imperialem Neo-Kolonialismus. Beim Afrikagipfel im Juli in St. Petersburg appellierte Traoré an alle Vertreter afrikanischer Staaten, den Kontinent aus diesem System zu befreien. Er sagte:
„Das Problem sind die afrikanischen Staatsoberhäupter, die nichts zum Kampf der Menschen beitragen und sogar die gleiche Leier wie die Imperialisten spielen. Sie bezeichnen uns als „Milizen“, als Männer, die Menschenrechte nicht achten. Über welche Menschenrechte sprechen sie? […] Wir afrikanischen Staatsoberhäupter müssen aufhören, uns wie Marionetten zu benehmen, die jedes Mal springen, wenn die Imperialisten an den Fäden ziehen.“

Doch warum haben sich die afrikanischen Staaten nicht längst aus diesem System befreit? Sind ihre Präsidenten tatsächlich nur Marionetten westlicher Interessen? Mit Blick auf die
jüngere Vergangenheit erklärt die ehemalige Vertreterin der Afrikanischen Union in den USA, Dr. Arikana Chihombori-Quao, dass diejenigen Führer, die versuchten, das Beste für ihr Volk zu erreichen, ermordet worden seien. Noch bevor ein Präsident überhaupt an die Macht kommt, gibt es für ihn Tabus: Das Militär, die Finanzen, die Bodenschätze. Diese darf er nicht anrühren, denn wenn er das tut, könnte es sein, dass er den Tag nicht überlebt. Solange er diesen Bereichen aus dem Weg geht, dürfe er regieren, wie er will.

Verehrte Zuschauer, ist es nicht ein Hohn, wenn westliche Politiker und Medien vom Erhalt der verfassungsgemäßen Ordnung sprechen, wenn damit in Wahrheit nur solche Präsidenten gemeint sind, die dem Ausverkauf ihrer Länder tatenlos zusehen?
Erscheint vor diesem Hintergrund die Forderung nach Wiedereinsetzung des nigrischen Präsidenten nicht in einem ganz anderen Licht?
Mit welchem Recht fordert der westafrikanische Staatenbund ECOWAS, der direkt nach dem Putsch dem Niger einen Krieg androhte, die Aufrechterhaltung einer verfassungsgemäßen Ordnung, die für kein würdiges Leben ihrer Bewohner Sorge trägt?
Ganz offensichtlich geht es hier nicht um den Schutz der Demokratie, womit westliche Länder ständig ihr skrupelloses Vorgehen rechtfertigen, sondern um knallharte Wirtschafts- und Machtpolitik, für die sich die ECOWAS ebenso wie westliche Politiker und Medien korrumpiert haben.
Daher sind wir alle gefragt, diese offenkundige Doppelmoral nicht länger hinzunehmen. Es ist höchste Zeit, dass sich ein unabhängiger internationaler Volksgerichtshof heranbildet, der für Gerechtigkeit sorgt und die verantwortlichen Übeltäter zur Rechenschaft zieht.

von jmr.
Quellen/Links:
Militärputsche
https://www.youtube.com/watch?v=GvHjJNNteeE

https://www.youtube.com/watch?v=VRxEQNZM3Lk

https://www.compact-online.de/bravo-niger-trotzt-westlicher-aggression/

https://www.youtube.com/watch?v=RK574AygVLw

https://taz.de/Nach-dem-Sturz-des-alten-Familienclans/!5953336/

https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/putsche-in-niger-und-gabun-der-verlorene-glaube-an-die-demokratie-19155092.html

Afrikas koloniale Landkarte, Militärbasen Frankreichs
https://de.wikipedia.org/wiki/Dekolonisation_Afrikas

https://de.wikipedia.org/wiki/Franz%C3%B6sische_Streitkr%C3%A4fte#St%C3%BCtzpunkte_im_Ausland

Französisches Kolonialsystem
https://apolut.net/tagesdosis-26-1-2019-macrons-alptraum-gelbwesten-proteste-in-den-ehemaligen-kolonien/

https://parstoday.ir/de/news/world-i82964-niger_junta_k%C3%BCndigt_milit%C3%A4rabkommen_mit_frankreich

Martin Sonneborn fasst ausbeuterisches West-System satirisch zusammen
https://just-now.news/de/deutschland/eu-abgeordneter-sonneborn-globaler-sueden-will-nicht-mehr-vom-westen-ausgepluendert-werden/

https://apolut.net/afrikas-entkolonialisierung-beginnt-von-jochen-mitschka/

Rede Traoré: (Übersetzung aus dem Compact-Magazin)
https://peoplesdispatch.org/2023/08/02/a-slave-who-cannot-assume-his-own-revolt-does-not-deserve-to-be-pitied-says-ibrahim-traore-of-burkina-faso/

Afrikanische Länder müssen ihr Geld bei der Bank von Frankreich deponieren Italienische Außenministerin klagt Frankreich wegen der Ausbeutung des Niger an
https://www.youtube.com/watch?v=YZFF-vQwwaA

https://apolut.net/niger-erhebt-sich-gegen-den-wertewesten-von-wolfgang-effenberger/

Präsident Nigerias führt die ECOWAS, Marionette
https://thegrayzone.com/2023/08/05/bagman-ecowas-chairman-invade-niger/

https://apolut.net/niger-erhebt-sich-gegen-den-wertewesten-von-wolfgang-effenberger

Dr. Arikana Chihombori
https://www.youtube.com/watch?v=XxplZe541Qo

https://en.wikipedia.org/wiki/Arikana_Chihombori-Quao

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