Stratfor-Rede: „100 Jahre US-Angriff auf deutsch-russische Freundschaft"

1 year ago
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21.03.2015 | www.kla.tv/5588

Mein Name ist Nick Brand und ich bin Direktor der gemeinsamen Programme bei „The Chicago Council on Global Affairs“. Danke Ihnen, dass sie gekommen sind.
Ich nutze diese Möglichkeit für die Begrüßung von George Friedman hier bei „The Chicago Council“. Ich denke, er ist zum ersten Mal hier, danke, dass Sie bei uns sind.

George Friedman:
„Kein Ort kann auf Dauer friedlich bleiben. Auch die USA nicht, ich meine, wir (USA) werden stets von Kriegen begleitet (bzw. betroffen). Europa wird, wie ich vermute, zwar nicht zu den großen Kriegen zurückkehren, aber es wird wieder zum menschlichen Normalfall zurückkehren: Es wird seine Kriege haben, seine Friedenszeiten und es wird seine Leben verlieren. Es wird keine 100 Millionen Tote geben wie im letzten Krieg, aber die Idee von der europäischen Auserwähltheit wird, wie ich denke, dazu beitragen.
Es wird Konflikte in Europa geben, es gab schon Konflikte in Jugoslawien und jetzt auch in der Ukraine.
Europas Beziehungen mit den Vereinigten Staaten – wir haben keine Beziehungen mit Europa. Wir haben Beziehungen mit Rumänien, mit Frankreich, aber es gibt kein „Europa“, mit dem die USA Beziehungen hätte.“

Frage aus dem Publikum:
„Ist der islamistische Extremismus die Hauptbedrohung für die Vereinigten Staaten, und wird er absterben oder wird er auch weiter fortbestehen?“

George Friedman:
„Er ist ein Problem für die Vereinigten Staaten, aber keine existentielle Bedrohung. Man muss sich damit angemessen befassen. Wir haben andere außenpolitische Interessen. Das Hauptinteresse der US-Außenpolitik während des letzten Jahrhunderts, im Ersten und im Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland, weil vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann. Unser Hauptinteresse galt sicherzustellen, dass dieser Fall nicht eintritt.
Wenn Sie ein Ukrainer sind, werden Sie die Ausschau danach halten, wer Ihnen als Einziger helfen kann, und das sind die Vereinigten Staaten. Letzte Woche oder etwa vor 10 Tagen war der Oberbefehlshaber der amerikanischen Bodentruppen in Europa, General Ben Hodges, zu Besuch in der Ukraine. Er kündigte dort an, dass die US-Militärberater in die Ukraine demnächst offiziell kommen sollen. Eigentlich hat er dort die Medaillen an die ukrainischen Kämpfer verteilt, obwohl das US-militärische Protokoll das verbietet, dass Medaillen an Ausländer verliehen werden. Doch er tat das, weil er damit zeigen wollte, dass die ukrainische Armee seine Armee ist. Dann ging er weg. Und nun liefern die Vereinigten Staaten den baltischen Staaten Waffen, Artillerie und andere Militärausrüstung – den baltischen Staaten, Rumänien, Polen und Bulgarien. Das ist ein sehr interessanter Punkt.
Gestern haben die Vereinigten Staaten angekündigt, dass sie vorhaben, Waffen in die Ukraine zu liefern. Das wurde dementiert, aber sie tun das, die Waffen werden geliefert.
Und bei all diesen Handlungen agieren die USA außerhalb der NATO. Denn NATO-Entscheidungen müssen von allen NATO-Mitgliedern einstimmig getroffen werden.
Der Punkt bei der ganzen Sache ist, dass die USA einen „ Cordon Sanitaire“ (einen „Sicherheitsgürtel“), um Russland herum aufbauen. Und Russland weiß das.
Russland glaubt, dass die USA beabsichtige, die Russische Föderation zu zerschlagen. Ich denke, wir wollen sie nicht töten, sondern nur etwas verletzen bzw. Schaden hinzufügen.
Jedenfalls sind wir jetzt zurück im alten Spiel. Und wenn Sie einen Polen, Ungarn oder Rumänen fragen, sie leben in einer ganz anderen Welt als die Deutschen, und die Deutschen leben in einer ganz anderen Welt als die Spanier. Also es herrscht Uneinigkeit in Europa. Aber was die Ukrainer bevorzugen werden, das werde ich Ihnen genau sagen: sie werden versuchen, die USA in ihr Land zu holen.

Die Vereinigten Staaten aus ihrem fundamentalen Interesse kontrollieren alle Ozeane der Welt. Keine Macht hat das jemals getan. Aus diesem Grunde marschieren wir in die Völker dieser Welt ein und sie können nichts dagegen tun. Das ist eine sehr schöne Sache. Die Aufrechterhaltung der Kontrolle über die Ozeane und im Weltall begründet unsere Macht. Der beste Weg, eine feindliche Flotte zu besiegen, ist zu verhindern, dass diese gebaut wird. Der Weg, den die Briten gegangen sind, um sicherzustellen, dass keine europäische Macht die Flotte bauen konnte, ist, dass die Europäer einander bekämpften.
Die Politik, die ich empfehlen würde, ist die, die Ronald Reagan angewandt hat, im Iran und im Irak. Er unterstützte beide Kriegsseiten, sodass sie gegeneinander kämpften und nicht gegen uns. Es war zynisch, es war nicht moralisch vertretbar, aber es funktionierte.

Und das ist der Punkt: die Vereinigten Staaten sind nicht in der Lage ganz Eurasien zu okkupieren. In dem Moment, wo unsere Stiefel den dortigen Boden berühren, sind wir demographisch zahlenmäßig unterlegen. Wir können eine Armee zerschlagen, aber wir sind nicht in der Lage, den Irak zu besetzen. Schon die Idee, dass 130.000 US-Soldaten ein Land mit 25 Millionen Menschen okkupieren… Das Verhältnis zwischen der Anzahl der Polizisten und der Einwohner von New York ist größer, als das Verhältnis von US-Soldaten und der irakischen Bevölkerung war.
Also, wir sind nicht in der Lage, überall militärisch zu intervenieren, aber wir sind in der Lage, erstens, die gegen einander kämpfenden Mächte zu unterstützen, damit sie sich auf sich selbst konzentrieren können – sie zu unterstützen: politisch, finanziell, militärisch, Waffen liefern und die US-Berater aussenden. Und in außerordentlichen Fällen, wie wir in Japan vorgegangen sind, nein, in Vietnam, Irak und Afghanistan, mit Präventivschlägen („spoiling attacks“) intervenieren.

Die Taktik der Präventivschläge beabsichtigt nicht, den Feind zu besiegen, sondern sie verfolgt das Ziel, den Feind aus der Balance zu bringen. Das versuchten wir in jedem Krieg wie z.B. in Afghanistan, wo wir Al Qaida aus der Balance brachten.
Das Problem, das wir haben, seit wir so jung und dumm sind, ist, dass wir die Feinde aus der Balance bringen, anstatt zu sagen: „Wir haben den Job gut gemacht, lasst uns nun nach Hause gehen.“, sagen wir: „Mann, das war aber leicht, lasst uns hier noch eine Demokratie aufbauen.“ Das war der Moment unserer Geistesschwäche, von der wir befallen wurden. Deswegen, die Antwort darauf lautet, die USA können nicht überall in Eurasien militärisch intervenieren. Man muss selektiv intervenieren und möglichst selten. Eine militärische Intervention stellt für uns einen Sonderfall dar, die letzte Möglichkeit. Wir können nicht schon im ersten Schritt die US-Truppen aussenden. Aber wenn wir die US-Truppen schicken, dann, und das haben wir schon aus Erfahrung klar verstanden, muss die Intervention eingeschränkt erfolgen und nicht gigantische Ausmaße erreichen. Hoffentlich haben wir das für dieses Mal verstanden, denn gewöhnlich dauert es eine Weile, wenn Kinder im Unterricht lernen.
Aber Sie haben absolut recht, wir als ein Imperium können das (überall intervenieren) nicht tun. Die Briten damals haben Indien nicht okkupiert, sie haben einfach die einzelnen Staaten Indiens genommen und ließen sie gegeneinander kämpfen.
Die Briten haben britische Offiziere bei der indischen Armee installiert.
Die alten Römer haben auch keine Truppen in entlegene Regionen außerhalb des Römischen Imperiums entsandt, sondern sie haben pro-römische Könige dort eingesetzt.
Diese Könige regierten für das Römische Imperium in anderen Ländern, und sie waren verantwortlich für die Aufrechterhaltung des pro-römischen Friedens an den Grenzen des Imperiums.
So war es z.B. bei dem Parther-Reich. Also, Imperien, die versuchen, direkt in okkupierten Gebieten zu regieren, solche Imperien scheitern, wie es z.B. mit dem Nazi-Imperium der Fall war. Denn niemand hat so viel Macht, um direkt zu regieren. Da muss man schon clever vorgehen. Wie auch immer, das ist nicht unser Problem. Es bedeutet eigentlich, dass wir ein Imperium als solches sind.
Wir sollten aber deswegen nicht denken, dass wir uns entspannen könnten, nach Hause gehen und über nichts mehr Sorgen machen. Wir sind erst etwa im dritten Kapitel des Buches.“

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