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Die Geistige Sonne
Ein Kloster im Jenseits
Band 1 – Kapitel 62, 63 & 64
Kapitel 62 – Besuch bei den Karmeliterinnen
1. Ihr fraget und saget: Werden wir aber wohl vorgelassen werden? Denn wenn es mit diesem Orden hier so zugeht wie auf der Erde, wird daraus für unsere Erfahrungen eben nicht viel Erspriessliches hervorgehen. – Meine lieben Freunde und Brüder! Es geht hier noch ebenso zu wie auf der Erde. Solches wird uns aber wenig beirren; denn in dieser Hinsicht sind wir über alle Schmarotzerfliegen und nichts kann uns hindern, uns den tiefen Geheimnissen allenthalben geradewegs auf die Nase zu setzen. Und so werden wir’s denn auch hier machen, uns in dieses Kloster ganz verborgen hineinschleichen und dann alles Mögliche beschnüffeln. Und so denn gehet nun mit mir und sorget euch um nichts.
2. Diesen Wesen werden wir noch lange völlig unsichtbar bleiben. Denn solches müsset ihr wissen, dass die Engelsgeister entweder aus dem dritten Himmel selbst oder im Wollen des dritten Himmels für die Geister der untern Himmel so lange völlig unsichtbar bleiben, bis die Geister der untern Himmel ihrem Inwendigen nach nicht selbst das Wesenhafte der Liebe zum Herrn aufgenommen haben, und zwar zuerst der Einsicht und dann der Liebetätigkeit nach. – Darum können auch wir ohne weitere Besorgnis in dieses Kloster treten, und es wird uns niemand erschauen. Mich nicht, weil ich ein Bürger der heiligen Stadt bin, und euch nicht, weil ihr in meiner Sphäre seid, und in dieser nach dem Wollen des obersten Himmels seid, welcher ist das Wollen des Herrn!
3. Sehet, wir sind schon im sogenannten Refektorium, oder verständlicher, wir sind im Speisesaal. Soeben werden einige Schüsseln mit sogenannten Erzfastenspeisen aufgetragen. Die Speisen stehen auf dem Tische und nun kommen unsere Klosterdamen. Sind sie nicht noch ebenso gekleidet wie auf der Erde? Ihr saget: Wir haben zwar noch nicht die Gelegenheit gehabt, eine solche Klosternonne in völliger Nähe zu betrachten. Aber sie sind vollkommen so gekleidet, wie wir sie uns nach guten bildlichen Darstellungen auf der Erde vorgestellt haben.
4. Nun sehet aber, sie begeben sich zum Tischgebet. Worin besteht aber dieses? Wie ihr es selbst gar leicht hören könnt, besteht es in einem wohlgenährten Rosenkranze, und zudem in einigen nachfolgenden lateinischen Pronuntiationen aus den Psalmen und aus den Kirchenvätern, welche aber von keiner dieser Klosterdamen verstanden werden. – Sehet, die Oberin setzt sich zu Tische. Die andern machen vor ihr eine bodentiefe Verbeugung und stehen dann wieder neben ihren Stühlen auf. Die Oberin gibt das Zeichen zum Niedersitzen. Seht, die Oberin hat ein Glöckchen an der Seite, sie läutet soeben, und das ist das Zeichen, dass die Damen nun in die Schüssel greifen dürfen.
5. Aber dort vorn seht ihr eine stehen. Diese darf jetzt nicht essen, sondern muss den Essenden die Leidensgeschichte des Herrn vorlesen. Nun haben unsere Damen ihr leibliches Mahl beendet, und die Oberin läutet wieder. Damit will sie sagen, dass sie alle nun wieder aufstehen sollen. Sie stehen auf, verbeugen sich abermals bodentief vor der Oberin, dann aber knieen sie nieder. Es wird das Dankgebet verrichtet, abermals bestehend aus einem wohlgenährten Rosenkranze. Diesem folgen stille hundert Ave-Maria. Sind auch diese im Verlaufe von etwa dreiviertel Stunden herabgebetet, so werden wieder die lateinischen Gebete nachgebetet. Sind sie nun fertig, so gehen sie hin vor das Kruzifix, legen sich vor demselben auf den Boden nieder. Dann gehen sie hin zum Bildnisse der Maria, tun dasselbe, dann zum Bildnisse des Joseph, wieder dasselbe tuend, hierauf zum Bildnis ihrer Ordensstifterin, der Theresia, tun abermals dasselbe, und nun erst gehen sie zu der Oberin als zur Theresia in corpore und tun abermals dasselbe.
6. Nun heisst die Oberin sie alle aufstehen und kündigt ihnen an, dass sie sich zum Chorgebete in einer Stunde bereithalten sollen. Unterdessen aber sollen sie in ihren Zellen die ihnen vorbestimmten Chorgebete überlesen, damit sie dann im Chore ohne Störung vor sich gehen, welche leichtlich ein kleines Ärgernis und somit auch eine lässliche Sünde erzeugen könnte. Denn, setzt die Oberin noch hinzu, sieben Male am Tage sündigt ohnehin der Allergerechteste vor Gott, wie sehr muss er sich da wohl hüten, um nicht acht oder noch mehr Male zu sündigen.
7. Aber eine der Klosterfrauen bittet die Oberin nun um die Erlaubnis, mit ihr ein Wort sprechen zu dürfen; und weil gerade jetzt nicht das strenge Silentium vorgeschrieben ist, so gestattet die Oberin solches der fragenden Dame. (Fragen aber heisst in diesem Kloster soviel als etwas freimütiger bitten.) Was etwa wird wohl diese Dame fragen? Wir wollen die Sache anhören. Höret, sie spricht: Allerehrwürdigste Braut Christi! Solange wir leiblich gelebt haben auf der Erde, solange auch war uns, des nach dem Tode zu gewinnenden Himmels wegen, das strenge Klosterleben genehm. Da wir aber nun schon eine geraume Zeit das Irdische mit dem Ewigen vertauscht haben, und wir auch in diesem „ewigen Leben“ noch immer das überstrenge Klosterleben fortführen und von dem Himmel wirklich noch gar nichts verspüren, so fragt es sich, ob dieses Klosterleben hier ewig nimmer ein Ende nehmen wird? Denn müssten wir immer in dieser strengen Klausur verbleiben, so wäre das doch etwas Entsetzliches!
8. Die Oberin spricht: O du ungehorsames Kind! Wie hast du dein Herz so sehr vom Teufel einnehmen lassen können, dass du dich darob einer solch entsetzlichen Frage hast ermächtigen können? Weisst du denn nicht, dass vor dem Jüngsten Tage niemand in den Himmel kommen kann, und dass durch die Fürbitte der heiligsten Jungfrau Maria, der hl. Theresia und in der Mitte dieser beiden des hl. Joseph – Christus, der Herr, darum unserem Orden, weil er der allerstrengste ist, das Fegfeuer nachgelassen und uns dafür zur völligen Reinigung die Gnade verliehen hat, selbst nach unserem Leibesleben für die im selben begangenen lässlichen Sünden und Todsündflecken Seiner allerhöchsten Gerechtigkeit genugzutun und uns völlig zu reinigen? Daher muss hier die Ordensregel unserer erhabenen Stifterin auf das Allerstrengste beobachtet werden. Sonst dürfte es geschehen, dass ein solch ungehorsames Kind, wie du bist, am Jüngsten Tage vor dem unerbittlichst allerstrengsten und gerechtesten Richter das Urteil vernehmen möchte: Weiche von Mir, du Verfluchte, denn Ich habe dich nie als Meine Schwester erkannt!
9. Nun sehet, diese Worte der Oberin haben unsere arme Fragestellerin wie tausend Blitze auf einmal getroffen. Sie fällt vor ihr nieder und bittet sie um eine wohlgemessene Züchtigung. Und die Oberin spricht: Ja, eine wohlgemessene Züchtigung hast du verdient; aber ich will dich diesmal nur mit einem Backenstreiche und dann mit einem eintägigen Fasten zurechtweisen. Doch sollst du keinen Augenblick säumen, den Beichtvater rufen zu lassen und ihm deine teuflische und vor Gott höchst verdammliche Rede an mich genau und allerreumütigst kundgeben, und dann die Busswerke, die er dir aufgeben wird, zu Ehren der hl. Dreieinigkeit, zu Ehren der fünf Wunden Jesu Christi, zu Ehren Seines bitteren Leidens und Sterbens, zu Ehren Seiner allerheiligsten Jungfrau Mutter Maria, zu Ehren des hl. Joseph und zu Ehren der hl. Theresia zehnfach verrichten. Und nun erhebe dich und empfange meinen Backenstreich.
10. Sehet, unsere Dame erhebt sich, hält sobald der Oberin demütigst die Backe hin, und diese gibt ihr zur Vertreibung des Teufels, wie ihr sehet, durchaus keine spasshafte, sondern eine wohlgenährte, beinahe schwindelerregende Ohrfeige. Unsere Dame weint darauf bitterlich, dankt der Oberin für diese Züchtigung und begibt sich mit den andern Schwestern aus dem Refektorium in ihre Zelle. – Was da weiter geschehen wird, darüber wollen wir nächstens unsere Beobachtungen anstellen!
Kapitel 63 – Die beichtende Nonne und der wahre Beichtvater
1. Als sie (die Klosterfrau) in ihrer Zelle anlangt, gibt sie mit einem Glöcklein alsbald das Zeichen, dass die Klosterwärterin zu ihr in die Zelle kommen solle. Was wird sie ihr etwa wohl zu sagen haben? Es handelt sich hier um nichts anderes als um die Bestellung des Beichtvaters, damit sie noch vor dem Chorgebete sich reinige von der Sünde, welche sie vor der Oberin begangen hat. Die Klosterwärterin besorgt sogleich dies Geschäft und unsere Dame begibt sich hinab in das Beichtkabinett, kniet sich zum Beichtgitter hin und erwartet da den Beichtvater. – Nun gehen wir hin und wollen da einmal eine Beichte belauschen. Was sie beichten wird, das wissen wir; aber was der Beichtvater ihr darauf sagen wird, das wissen wir noch nicht, wollen es daher erfahren.
2. Der Beichtvater kommt nun ans Gitter und legt sein Ohr an dasselbe. Nun hat sie gebeichtet, und er spricht zu ihr: Höre du, mein liebes Beichtkind, wenn du deine Ordensregel, wie sie auf der Erde bestand, vor dein Gemüt stellst, so hast du mit deiner Äusserung dich offenbar versündigt, aber nicht gegen die Ordnung Gottes, denn diese gab dir ja solches zu denken, sondern gegen die Ordnung des Klosters, welche dir solches zu denken verbietet. Für den Fehler gegen die Ordnung des Klosters hast du auch von deiner Vorsteherin die wohlzugemessene Züchtigung erhalten und hast dich nach derselben der weiteren Anordnung bis hierher gefügt. Hier handelt es sich um Vergebung deiner Sünde von der göttlichen Seite. Gott aber hat in Seinem Worte niemals eine solche Klosterordnung zu einem Gesetz gemacht. Menschensatzungen, und wären sie mehrere tausend Jahre gang und gäbe, hat Gott nie als die Seinigen sanktioniert und siehet es nicht an, ob jemand sich gewisserart notgedrungen gegen die Satzungen der Welt vergeht; und somit habe ich dir hier von der göttlichen Seite auch nichts zu vergeben.
3. Unsere Dame spricht zum Beichtvater: Hochwürdiger Priester! Der du hier vor mir am Richterstuhle der göttlichen Gerechtigkeit sitzest, wie magst du sagen, dass unser Klosterorden und dessen Regel keine göttliche, sondern eine Menschensatzung ist! – Sieh, wenn ich solches unserer Oberin kundgebe, so laufen wir beide Gefahr, auf das empfindlichste gestraft zu werden. Mich wird man als eine vom Teufel Besessene behandeln, dich aber als einen offenbaren Ketzer entweder exkommunizieren oder gar in den vollkommenen Kirchenbann legen; daher erkläre dich deutlicher, was du damit sagen willst.
4. Der Beichtvater spricht: Höre du, meine liebe Schwester, wer Christum, den Herrn, als den alleinig wahren Gott Himmels und der Erde über alles liebt, der fürchtet weder die Exkommunikation noch den Kirchenbann. Siehe, auf der Erde lachen gegenwärtig die Menschen, welche am Weltlichen hängen und noch von Christo wenig oder gar nichts wissen, über solche kirchliche Eigenmächtigkeit. Warum lachen sie denn? Weil sie in dieser Eigenmächtigkeit keinen Schaden für ihr Gewerbsleben erschauen. Warum sollen denn diejenigen nicht lachen, welche Christum wahrhaft lieben? – Denn diese werden doch wohl noch einen bei weitem geringeren Schaden von seiten dieser Eigenmächtigkeit zu befürchten haben.
5. Hast du nie gehört, was Christus einmal im Tempel zu der Ehebrecherin gesagt hat, als sie Ihm die Pharisäer und Schriftgelehrten als nach dem mosaischen Gesetze der Steinigung würdig vorgeführt haben?
6. Unser Beichtkind spricht: Solches weiss ich wohl; aber was willst du damit sagen?
7. Ich will dir damit nichts anderes sagen, spricht der Beichtvater, als dass Christus in Seinem Urteile bei weitem gelinder ist denn Seine Priester und Schriftgelehrten. Diese haben unsere Ehebrecherin ohne die geringste Gnade und Erbarmung der öffentlichen Steinigung als vollkommen würdig erkannt; Christus aber sagte zu ihnen: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie!“
8. Siehe, solche Rede hat unsere Pharisäer und Schriftgelehrten wie ein Blitz getroffen, denn es war auch ein anderes Gesetz, welches die oberste Priesterschaft sündenfrei haben wollte. Und um dieses Gesetz wussten die Pharisäer und Schriftgelehrten ebenso gut wie um das Gesetz gegen die ehebrecherischen Weiber. Zugleich aber wussten unsere Pharisäer und Schriftgelehrten, dass sie selbst die Sünde des Ehebruchs in jeder Hinsicht, sowohl in geistiger wie in leiblicher, begangen haben. Darum auch erschreckte sie diese überaus eindringliche Antwort so sehr, dass sie sich samt und sämtlich, unserer Ehebrecherin ganz vergessend, behende davongemacht haben. Sie wollten für diesmal Christum nicht mehr reizen, weil sie befürchteten, er möchte ihre Schmach den vielen gläubigen Juden kundtun, welche sie dann ergriffen und auch also behandelt hätten, wie das Gesetz Mosis für diesen Fall die scharfe Bestimmung hatte. Was geschah aber mit unserer Ehebrecherin? Sie stand nun allein da. Hat sie der Herr etwa verdammt? O nein; er fragte sie und sagte: Haben dich denn diejenigen, die dich hierhergebracht, nicht verdammt? Und unsere Ehebrecherin spricht: Nein, o Herr!, es hat mich niemand verdammt. Und Er spricht zu ihr: „Also verdamme auch Ich dich nicht; gehe aber hin und sündige hinfort nicht mehr!“ – Nun, was sagst du zu dieser Handlungsweise des Herrn?
9. Unsere Dame spricht: Ich kann hier unmöglich etwas anderes sagen, als dass der Herr sicher barmherziger und gnädiger ist, als alle besten Menschen der Erde zusammengenommen. Der Beichtvater spricht: Nun gut, meine liebe Schwester, wenn du den Herrn also erkennst, da wirst du doch wohl auch erkennen, dass meine Belehrung eine vollkommen gültige ist! – Wenn des Herrn Güte sich bei der Ehebrecherin schon nicht an das mosaische Gesetz hielt, welches doch von Ihm ausging, um wie viel weniger wird Er Sich an eine Klosterregel binden? Denn siehe, der Herr ist vollkommen frei und kann tun, was Er will. Und so Ihn jemand fragen wird: Herr, was tust du?, so wird Er ihm keine Antwort geben. – Ich aber bin hier als ein Beichtvater zu dir gesandt vollkommen in Seinem Namen und trage daher auch Seinen Namen. Wenn ich tue nach und in diesem Namen, sage mir, wen habe ich da wohl zu fürchten?
10. Du sprichst: Den Herrn sicher nicht, so du vollkommen in Seinem Namen handelst! – Nun, wenn ich Den nicht zu fürchten habe, sollte ich da etwa dein Kloster oder die kirchliche Eigenmächtigkeit fürchten? O siehe, solches ist bei mir mitnichten der Fall; und so denn sage ich dir: Wenn du eine wahre Liebe zum Herrn hast, so sollst du auch aus dieser Liebe heraus etwas wagen, nämlich dass du nun hingehst und sagst deiner Oberin, was ich dir gesagt habe; – und sage ihr dann auch, dass sie sich mit dir nach meinem Willen sogleich hierher begeben solle.
11. Unsere Dame fragt, was sie denn für eine Busse als Genugtuung verrichten solle.
12. Der Beichtvater spricht: Nichts anderes als das, was ich dir soeben gesagt habe.
13. Unsere Dame steht nun auf, und da unsere Oberin zufolge des längeren Ausbleibens einige Bedenklichkeiten in sich zu nähren anfing, so kommt sie selbst unserer Dame schon an der Schwelle des Beichtkämmerleins entgegen, und unsere Dame erzählt ihr da, was ihr der Beichtvater gesagt hat. Die Oberin schlägt darüber die Hände über dem Kopfe zusammen und spricht zu unserer Dame: Siehst du, welch eine Sünde du begangen hast! Die Gnade Gottes ist gänzlich von dir gewichen, und ein Teufel hat die Gestalt eines Lichtengels angenommen und sich als Beichtvater in den Beichtstuhl gemacht und gab dir solche verdammliche Lehre. Er verlangt, dass sogar ich mich mit ihm in eine Unterredung einlassen soll, damit durch mich, die ich die Seele des Klosters bin, das ganze Kloster hinabgezogen würde in die ewige Verdammnis. Ja, ich habe mir’s wohl gar oft gedacht, dass du solch ein Unglück über dieses heilige Haus Gottes bringen wirst. Nun ist kein anderes Rettungsmittel da, als dass wir uns allerkräftigst vereinigen und unsere grosse Not der allerseligsten Jungfrau Maria, dem hl. Joseph und der hl. Theresia vortragen. Erhören uns diese nicht, so sind wir verloren; denn hier ist bei Gott keine Gnade und Erbarmung mehr!
14. Unsere Klosterdame spricht zur würdigen Frau: Sagen hochwürdige Mutter, was Sie wollen, so aber glaube ich nach der Belehrung des allerehrwürdigsten Beichtvaters nun keinem Ihrer Worte mehr und bin bereit, wenn es hier möglich wäre, eher noch einmal zu sterben, als über die Belehrung dieses würdigen Beichtvaters nur die allergeringste schiefe Meinung in mir zu hegen.
15. Hier will die würdige Frau Oberin unserer Dame aus lauter klösterlichem Eifer einen Schlag auf den Mund versetzen. Aber unser Beichtvater ist so keck, reisst das Beichtgitter auf, wozu er auch hinreichende Kraft besitzt, und entreisst unsere Dame solcher Misshandlung. Was da ferner geschieht, wollen wir das nächste Mal vernehmen.
Kapitel 64 – Erlösung der armen Gefangenen; Gericht und Jüngster Tag
1. Da aber die Priorin solches geschehen sieht, macht sie sobald ein Kreuz um das andere, nimmt ihre Zuflucht zu einem Weihbrunnkessel und sprengt das Weihwasser tätig nach unserem Beichtvater und nach unserer Dame; auch ruft sie mit aller Kraft die Schwestern zur tätigen Mithilfe. Diese kommen auch sobald herbei, starren unseren Beichtvater an und können durchaus nichts Teuflisches an ihm entdecken. Nun macht die Vorsteherin ein grosses Kreuz vor sich hin, nähert sich dem Beichtvater und der Dame, will sich mit Gewalt ihrer bemächtigen und spricht mit gellend lauter Stimme: Du abscheulicher höllischer Teufel, der du die verfluchte Keckheit hattest, durch Lug und Betrug dich in der Gestalt eines Lichtengels in unser Heiligtum hereinzuschwärzen, ich befehle dir im Namen der heiligen Dreieinigkeit, der allerheiligsten Jungfrau Maria, des hl. Joseph und der hl. Theresia, dass du auf der Stelle entweichest von diesem heiligen Orte und alsbald zurückkehrest in deine ewige Verdammnis und in dein höllisches Feuer und brennest dort ewig und ewig!
2. Nun sehet, unser Beichtvater lässt sich durch diesen schrecklichen, exorzistischen Bannfluch nicht im geringsten irremachen und spricht: Höre, du blinde Vorsteherin dieser armen Herde, du nanntest mich einen Teufel und hast mich auch darob ganz gehörig verdammt; sage mir, ob ich als dein vermeintlicher Teufel mit dir und mit dieser Schwester hier etwas Ähnliches getan habe?
3. Ich habe dieser Schwester nur das gesagt, was hier im Reiche der Geister die volle Wahrheit ist, und dich durch sie rufen lassen, damit auch du als Vorsteherin in der göttlichen Wahrheit näher unterrichtet würdest. Anstatt aber mich anhören zu wollen, hast du gleich das glühendste Richterschwert ergriffen und wolltest diese arme Schwester entweder, so es dir möglich wäre, mit einem Streiche totschlagen oder sie wohl gar sogleich der Hölle überliefern.
4. Ich, als dein Teufel, erbarmte mich der armen Schwester und rettete sie durch meine Macht von deiner Wut; dafür aber hast du mich exorzistisch in den höllischen Bannfluch getan.
5. Wenn wir nun unsere Herzen einander gegenüberhalten, so wäre da eine gar grosse und wichtige Frage zu beantworten: in welchem sich wohl mehr der wahren Nächstenliebe vorfinden möchte, ob in deinem himmlisch sein wollenden oder ob in meinem teuflisch sein sollenden?
6. Ich sage dir aber: Mit deiner Herrschaft über diese arme blinde Herde hat es nun ein Ende! Die Theresia hatte auf der Erde diesen Orden wohl gestiftet. Aber zu ihrer Zeit und in ihrer Regel war eine wahre Nächstenliebe der Grund und Liebtätigkeit die Hauptordensregel sowie die notwendige Reinheit des Herzens, welche Regel die Theresia in den gestifteten Orden einführte. Und also war dieser Orden unter solchen Bedingungen dem Herrn auch genehm; aber deine Regel, verbunden mit der allerstrengsten Klausur und dem vielfältigen, für euch alle zumeist unverständigen Lippengebete ist dem Herrn ein Greuel und durchaus in keinem Teile genehm, besonders aber, wenn sich, wie es eben bei dir der Fall ist, eine wahre tyrannisch despotische Herrschsucht, vermählt mit dem blindesten Wahne, in den Orden eingeschlichen hat!
7. Habt ihr auf der Welt wohl je gehört, dass es in der geistigen Welt auch nach dem Leibestode Klöster und solche klösterliche Klausuren gibt? So viel ich weiss, habt ihr nur geglaubt, nach dem Tode des Leibes entweder bis zum Jüngsten Gerichte in einen süssen Seelenschlaf überzugehen oder in das Paradies zu kommen, wohl auch alsogleich in den Himmel. Wenn ihr aber unwidersprechbar solches geglaubt habt, wie ist denn sonach dieses Kloster entstanden?
8. Sehet, ihr stehet auf diese meine Frage stumm da und wisset mir kein Wort zu erwidern. Diese nämliche Frage hatte zuvor auch diese arme Schwester an dich, Vorsteherin, gerichtet. Da du ihr so wenig wie mir eine Antwort zu geben vermochtest, entbranntest du darob in heftigstem Zorne und gabst der Fragenden eine betäubende Maulschelle.
9. Nun aber sage ich dir, woher dieses Kloster rührt. Es rührt von deiner herrschsüchtigen Begründung her, und so hast nur du, zufolge deines blinden Wahnes, durch Lug und Trug für dich und diese armen Schwestern auch hier in der geistigen Welt solche Klausur errichtet. Daher ist diese Klausur auch nur eine Trug-Klausur und Gott, dem Herrn, sicher in keinem Teile angenehm; und ich habe die Macht, obgleich ich als ein wahrer Beelzebub vor dir erscheinen muss, diese Klausur für alle diese armen Schwestern aufzuheben und sie allesamt frei hinauszuführen, dich aber in dieser deiner Klausur allein zu belassen, so lange, bis du in dir selbst reuig inne wirst, dass solch eine Klausur eine irrige Begründung des Geistes und in ihr weder irgendeine Wahrheit noch irgend etwas Gutes ist.
10. Damit aber du und alle die armen Schwestern erkennen möchten, dass ich vollkommene Macht habe, solches zu tun, und das nicht vom Beelzebub, den du, Oberin, besprengt hast mit deinem Weihwasser, sondern unmittelbar von Gott aus, so zeige ich euch allen fürs erste an, dass diese von mir gerettete Schwester eben die Theresia selbst ist, welche von mir aus zu euch gesandt ward, um euch von eurem Wahne zu befreien. Fürs zweite aber zeige Ich euch an, dass Ich Selbst der nämliche bin, den die Theresia so sehr liebte! – Wollet ihr solches nicht glauben, so leget gleich einem Thomas eure Hände in Meine Wundmale!
11. Und nun siehe, du Oberin dieses Klosters, du hast Mich verdammt in deiner grossen Blindheit. Siehe, auch Ich hätte Macht, dich zu verdammen, aber damit du siehst, dass Ich besser bin als dein Orden, so verdamme Ich dich nicht, sondern belehre dich und zeige dir den Weg zu Mir. Doch jetzt kannst du Mir nicht folgen, sondern erst dann, wenn du dein trügliches Kloster vom Grunde aus wirst niedergerissen haben. –
12. Nun sehet, alle die Schwestern fallen vor dem Herrn nieder und loben und preisen Ihn ob Seiner grossen Liebe und Erbarmung und flehen zu Ihm um Gnade für die Oberin. Und der Herr spricht: Es sei, um was ihr gebeten habt! Aber die Oberin hat noch ihren freien Willen und wird ihn ewig behalten. Will sie das Kloster niederreissen, so mag sie mit euch ziehen; will sie es aber behalten, so werde Ich es ihr auch nicht um eine Sekunde eher abnehmen, als bis sie es Mir freiwillig abtreten wird.
13. Sehet, die Oberin steht wie versteinert vor der Gesellschaft der Schwestern und weiss nicht, was sie nun tun soll, denn sie hält bei sich diese Szene noch immer für einen ausserordentlichen Teufelsspuk. Und der Herr spricht zu ihr: Wie denkst du denn in dir? War es bei euch denn nicht ein Glaubenssatz, dass der Satan vor dem Namen Jesu Christi fliehen müsse, und dass sich vor diesem Namen alle Knie beugen müssen im Himmel, auf Erden und unter der Erde? Wenn aber schon der Satan eine solche gewaltige Furcht vor dem Namen Jesu hat, wird er Ihn wohl selbst aussprechen, oder sich gar in Seine Gestalt umwandeln? Siehe, wie gross deine Torheit ist! Du aber bist für ein reineres Licht noch nicht reif und wirst so lange nicht reif sein, bis du nicht den letzten Stein dieses Klosters in dir vernichten wirst.
14. Ich sage dir aber noch hinzu, dass du dich allein an Mich zu wenden hast, so du je aus deiner Klausur möchtest befreit werden.
15. Auf deinen „Jüngsten Tag“ wirst du vergeblich warten; denn dieser ist und dauert für alle Menschen fortwährend. Er ist für die Liebegerechten ein Tag der Auferstehung zum ewigen Leben, welches ist die vollkommene Wiedergeburt des Geistes. Er ist aber auch ein Tag des Gerichtes für alle jene, die Mich nicht im Geiste und nicht in der Wahrheit und somit in aller Liebe in sich aufnehmen wollten.
16. Nun weisst du, wie du daran bist; kehre dich darnach, so wirst du deinen jüngsten Tag zum ewigen Leben erreicht haben, sonst aber wird dir diese Sonne, welche diesen Tag erleuchtet, wohl Ewigkeiten hindurch nicht mehr aufgehen!
17. Hier wendet Sich der Herr zu den Schwestern und heisst sie alle Ihm folgen. Wie ihr aber im Geist sehen könnet, so wirft sich endlich auch die Oberin wie verzweifelnd vor Ihm nieder und bittet Ihn, dass Er sie, nachdem sie Ihn nun erkannt habe, nicht so allein zurücklassen solle. Und der Herr spricht zu ihr: Siehe hier Meine liebe Schwester, die Theresia, Ich will, dass sie bei dir verbleibe und dir helfe dein Kloster zerstören. Und sehet, die Theresia hebt sobald mit aller Liebe die Oberin auf, führt sie zurück und zeigt ihr die wahren Wege des Herrn.
18. Der Herr aber zieht mit Seinen unschuldigen Lämmern dem ewigen Morgen zu! – Es wird nicht lange dauern, dass unsere liebe Jüngerin des Herrn ihre noch blinde Schwester von ihrer Klausur befreien wird. Jedoch wird diese nicht sobald in den Morgen, sondern in den Mittag oder in den zweiten Himmel gebracht werden.
19. Und so habt ihr wieder eine andere Art und Weise der Befreiung aus einem irrtümlichen geistigen Seligkeitsorte gesehen, welcher freilich einer von der besseren Art war. Es gibt aber deren in dieser Art noch eine grosse Menge, mit denen es um vieles schwerer geht. – Nächstens wollen wir ein männliches Kloster der Art in Augenschein nehmen. Es soll ebenfalls eines der strengsten sein und ihr werdet sehen, mit welchen Schwierigkeiten das Leben da zu kämpfen hat, wo die Flut falscher Begründungen desselben Saat völlig erstickt hat.
20. Daher soll sich ja niemand in etwas begründen, sondern soll allein die Liebe zum Herrn und zu seinem Nächsten als die alleinige Richtschnur des Lebens nehmen. Denn die Liebe ist ein gutes Erdreich, auf dem der Same des Lebens bestens fortkommt; wird aber dieses Erdreich zuvor mit Unkraut besät, so wird dann auf demselben der gute Same nur mühsam fortkommen. – Solches werden wir beim nächsten Beispiel klar ersehen. Und somit gut für heute!
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